Siechenkapelle

Informationen für Besucher

Öffnung der Siechenkapelle im Jahr 2024   jeweils am Sonntag 14 – 16 Uhr

am   7.Juli        1. September     6. Oktober

Künstler aus der Region haben die Möglichkeit nach Wiedereröffnung ihre Werke in der Siechenkapelle der Öffentlichkeit zu präsentieren. Falls Sie Interesse haben, wenden Sie sich bitte an Bernhard Stille (bernhard@stilles.de) oder an Peter Lecjaks (peter.lecjaks@t-online.de).

Ausstellung von 12.Mai – 23. Juni 2024 in der Siechenkapelle

 

Internet-Auftritt.docx.pdf  

 

Tafeln in der Siechenkapelle

Siechenkapelle – 01Geschichte_web

Siechenkapelle – 02 Baugeschichte_web

Siechenkapelle – 03 Ikonographie_web

Siechenkapelle –04 Bestandsaufnahme2_web

Siechenkapelle – 05 Außenhaut_web

Siechenkapelle – 06 Bauschädliche Salze_web

Siechenkapelle – 07 Konservierung_web-1

Neueröffnung der Siechenkapelle am 28.4.2019

Geislingen feierliche Wiedereröffnung der Siechenkapelle und Ausstellungseröffnung . Grußworte Frank Dehmer Oberbürgermeister der Stadt Geislingen an der Steige, Bernhard Stille vom Kunst- und Geschichtsverein Geislingen e.V., Dr. Ulricke Plate Abteilungsdirektorin Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart.
REDE ZUR WIEDERERÖFFNUNG DER SIECHENKAPELLE AM 28.04.2019 – BERNHARD STILLE

Gemeinhin ist immer von der Geislinger Siechenkapelle die Rede– was verbirgt sich hinter diesem Namen?

Die Siechenkapelle ist der Rest einer größeren Anlage, die aus einem Siechenhaus und dieser Kapelle bestand.

Wie Sie sicher schon bemerkt haben, befand sich diese Anlage weit weg von der Stadt Geislingen, hier zwischen den Dörfern Altenstadt und Kuchen. Anders als das Spital für die normalen Kranken, das sich innerhalb der Kernstadt nahe am Stadttor befand. In Deutschland gab es im späten Mittelalter rund tausend Pflegeheime für Leprakranke. Die Gebäude des Siechenhauses vor den Toren Geislingens waren eines von ihnen. Hier waren die Aussätzigen – heute würden wir sagen: Leprakranken –untergebracht. Ein Edikt aus dem Jahr 643 hatte festgelegt, dass Leprakranke als „tamquam mortuus“ – „gleichsam tot“ – anzusehen seien. Diese wurden wegen der vermeintlichen Ansteckungsgefahr für immer außerhalb der Städte weggesperrt – daher auch der Name „Aussätzige“. Wer in ein solches Haus eingewiesen wurde, hatte mit seinem bisherigen Leben abgeschlossen. Er trat in eine neue Welt, in lebenslange Quarantäne ein. Diese wurde nur selten von einem Ausflug in die Stadt unterbrochen. Das Siechenhaus wurde für seine Bewohner die letzte Heimat.

Wichtig für den Bau eines Siechenhauses war:

  • Außerhalb der Stadtmauern
  • In der Nähe eines Flusses – hier ist es die Fils
  • An einer Durchgangsstraße, damit die Kranken betteln konnten.

 

In einem Zeitalter ohne Krankenversicherung und Sozialstaat finanzierte sich die Einrichtung aus Almosen und Spenden. Und gespendet wurde, denn jedem Spender wurde eine Verkürzung seiner Zeit im Fegefeuer zugesagt.    Das Leben im Siechenhaus verlief nach strengen Regeln. Die Hausordnung verpflichtete die Kranken zu täglichen Gebetsstunden, Keuschheit und klösterlichem Gehorsam. Kein Bewohner sollte „mit dem anderen irgend eine fleischliche Gemeinschaft halten“. Manche Regeln erscheinen kurios, hatten aber durchaus medizinischen Sinn. So wurden hygienische Grundregeln Jahrhunderte vor Einrichtung einer öffentlichen Kanalisation zum Maßstab gemacht, zum Beispiel durch den Hinweis: „Keiner soll seines Leibes Notdurft tun an irgendwelchen Türen, Zäunen, Gräben oder Mauern…“

Die Krankheitsursache der Lepra war im mittelalterlichen Deutschland unbekannt. Die Vorstellungen reichten von einer Erbkrankheit bis hin zur verdienten Strafe Gottes für begangene Verfehlungen. Erst 1873 fand ein norwegischer Arzt unter dem Mikroskop das Leprabakterium im Blut der Erkrankten.   Wo gute hygienische Verhältnisse herrschen und für ausreichende Ernährung gesorgt ist, kann die Seuche gar nicht erst ausbrechen. So wurden in der Neuzeit die vielen Leprosorien in Europa nicht mehr gebraucht – und was man nicht braucht, das reißt man ab und ersetzt es durch etwas Neues. Nur selten sind Reste der Leprosorien übrig geblieben und wenn, dann wurden sie in der Folgezeit meist anderweitig genutzt. So gibt es im Regierungsbezirk Nordwürttemberg meines Wissens nur noch Siechenkapellen in Waiblingen und Geislingen sowie eine später barockisierte Kirche in Schwäbisch Gmünd. Diese hier in Geislingen ist die einzige mit erhalten gebliebenen mittelalterlichen Wandmalereien.    Wann das Geislinger Siechenhaus erbaut wurde und wer es gestiftet hat, ist nicht bekannt. Man weiß nur, dass es 1398 ein Siechenhölzle auf dem Tegelberg gab und 1420 Ulrich Mördlen zu Geislingen eine Stiftung machte für das „Feldsiechenhaus zu Altenstadt, an dem Espan gelegen“.    Es handelte sich um eine zweistöckige Behausung, in der sich drei Stuben befanden. Zum Siechenhaus gehörte noch ein einstöckiges Bach- und Waschhaus, sowie ein Badstüblein. Dazu gehörte neben einer Holzhütte ein Schöpfbrunnen im Garten mit hölzernem Gestell und ein Baum-, Gras- und Gewürzgarten hinter dem Siechenhaus, ungefähr ein Tagwerk (ca. 3.300 qm) groß und mit einem Zaun umgeben.   1471 wird die Kapelle aus Bruchstein mit Fachwerkgiebel zum ersten Mal urkundlich erwähnt.  Sie gehörte zu dem nebenan stehenden Siechenhaus und war das Gotteshaus für die dort untergebrachten „Sondersiechen“.

1496 wurde die Kapelle renoviert und mit spätgotischer  Kalkputzmalerei versehen.

Als Anfang des 18. Jahrhunderts bei uns die Lepra verschwand, wurde das Altenstädter Siechenhaus zur Unterbringung von versorgungsbedürftigen Armen und Kranken aus Geislingen, Altenstadt und Kuchen verwendet. Rund hundert Jahre später war auch diese Einrichtung nicht mehr zeitgemäß, man versteigerte 1806 das Siechenhaus samt Kapelle, der Altenstädter Adlerwirt erhielt den Zuschlag. Er ließ 1811das Siechenhaus und den Chor der Kapelle abbrechen. Das verbliebene Langhaus diente ihm fortan als Scheuer, der bisherige Triumphbogen wurde zum Scheunentor.

Seit den 1940er Jahren hat dann die Straßenbauverwaltung die Altenstädter Siechenkapelle als Geräteschuppen genutzt. 1988 sollte die Siechenkapelle wegen Baufälligkeit abgebrochen werden. Doch die Stadt Geislingen hat sich dafür eingesetzt, dass das denkmalgeschützte Gebäude in städtisches Eigentum überging und damit ein Abriss verhindert werden konnte. Der Kunst- und Geschichtsverein Geislingen hat daraufhin mit verschiedenen Projekten und Sammelaktionen zusammen mit der Stadt Geislingen dafür gesorgt, dass Mitte der 1990er Jahre die Außenfassade der Kapelle und das Dach instand gesetzt wurden, so dass sich die Kapelle seit 1996 wenigstens von außen recht ansehnlich darbot. 2012 hat der Kunst- und Geschichtsverein zusammen mit der Stadt Geislingen auch das Innere der Kapelle hergerichtet. Der Fußboden, der teilweise aus Gießereiabfällen der MAG und anderen Schuttablagerungen bestand, wurde abgetragen, neu aufgefüllt und mit einem Holzfußboden begehbar gemacht, die zugemauerten Fenster wurden geöffnet und verglast. Außerdem wurden Stromkabel in die Siechenkapelle gelegt, so dass die Wandmalereien durch Strahler ins rechte Licht gerückt werden können. Damit wurde die Kapelle 2012 für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Seitdem finden in den Sommermonaten immer wieder Kunstausstellungen in der Siechenkapelle statt. Ermöglicht wurde dies unter anderem auch durch einen Förderpreis der Region Stuttgart und Zuschüssen der Landesdenkmalstiftung. Vielen Dank!    Dafür, dass das möglich wurde, möchte ich meinen besonderen Dank aber auch an die Stadt Geislingen richten, vor allem an Peter Lecjaks, der – inzwischen im Ruhestand – sich fast 30 Jahre lang sehr engagiert und nachhaltig für die Siechenkapelle eingesetzt hat.    Die meisten von Ihnen kennen die Siechenkapelle unverputzt, sehr schön rot leuchtete der Donzdorfer Sandstein, aus dem große Teile der Außenwände gemauert waren. Dann kam 2015 die Hiobsbotschaft, dass der 1993 verwendete Fugenmörtel zu hart war, der Sandstein angegriffen und die Salzbelastung der Mauern innen und außen sehr groß war. Inzwischen haben wir uns schon ein bisschen daran gewöhnt, dass die Kapelle verputzt ist. Viele von uns – auch die Geislinger Stadträte – haben das im Vorfeld eigentlich nicht gewollt, ja sogar strikt abgelehnt. Aber die starke Salzbelastung der Kapelle und die zunehmenden Umweltschäden am Sandstein haben diese Maßnahme notwendig gemacht. Vielen Dank an die Stadt Geislingen, Herrn Dehmer und die Geislinger Stadträte, die diese Schutzmaßnahme ermöglicht haben.    Ebenso gilt mein Dank dem Team der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart mit Professor Roland Lenz und der Werkstattleiterin Janina Roth an der Spitze, die 2011 in monatelanger Arbeit eine detaillierte Bestandserfassung der Wandmalereien vorgenommen haben.     Besonderen Dank zollen wir auch dem Landesdenkmalamt, das in den vergangenen zwei Jahren die Restaurierung der Wandmalereien durch das Team von Frau Anja Brodbeck vorgenommen hat. Hier hat sich vor allem Frau Dr. Dörte Jakobs vom Landesdenkmalamt in hohem Maße engagiert. Dies alles und viel mehr über die Geschichte der Siechenkapelle und eine Dokumentation der von mir erwähnten Maßnahmen können Sie nachher anhand der Ausstellung des Landesdenkmalamts in der Siechenkapelle nachvollziehen.    Last, not least geht noch ein herzlicher Dank an Frau Irene Cziriak von der Stadt Geislingen, die – obwohl als Fachbereichsleiterin erst kurz im Amt – mit uns zusammen diese Veranstaltung heute mit viel Einsatz organisiert und gemanagt hat.       Und natürlich an die Azubis der Stadt Geislingen, die heute die Bewirtung vornehmen. Und Ihnen allen danke ich fürs Zuhören.

Geislingen feierliche Wiedereröffnung der Siechenkapelle und Ausstellungseröffnung . Grußworte Frank Dehmer Oberbürgermeister der Stadt Geislingen an der Steige, Bernhard Stille vom Kunst- und Geschichtsverein Geislingen e.V., Dr. Ulricke Plate Abteilungsdirektorin Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart. Reihe vorne v. l. n. r.: Anja Brodbeck-Holzinger, Brigitta Hofer, Peter Volkmer, Peter Lecjaks, Dörthe Jakobs, Ulrike Plate, Iris Geiger Messner. Reihe hinten v. l. n. r.: Bernhard Stille, Astrid Köpf, Roland, Lenz, Frank Dehmer, Nicole Razavi.

 

STUTTGARTER ZEITUNG vom 29.04.2019

 

Geislinger Siechenkapelle saniert  Einst Zufluchtsort, dann Lager, nun Kleinod

Von Karen Schnebeck 28. April 2019 – 17:25 Uhr

Aussätzige beteten dort im Mittelalter für ihr Seelenheil: Am Sonntag wurde die neu restaurierte Siechenkapelle in Geislingen wieder eröffnet. Obwohl sie eine der beiden letzten ihrer Art in der Region Stuttgart ist, wäre sie fast abgerissen worden.

Die Wiedereröffnung der Kapelle hat viele Bürger angelockt, die sich ein Bild vom Ergebnis der Sanierung machen wollen. Foto: Horst Rudel

 

Geislingen – Ob es tatsächlich der Standort war, wie der Geislinger Oberbürgermeister Frank Dehmer vermutet? „Man hätte der Kapelle eine schönere Lage gewünscht, im Stadtpark zum Beispiel. Vielleicht wurde das Kleinod auch wegen seines Standorts lange Zeit nicht angemessen gewürdigt“, mutmaßte Dehmer bei der Wiedereröffnung der Geislinger Siechenkapelle am Sonntag. Tatsächlich befindet sich die winzige Kirche aus dem 14. Jahrhundert, in der einst Leprakranke für ihr Seelenheil beteten, nicht gerade an einem Ort, wo man auf die Suche nach Kulturschätzen gehen würde: auf dem Hof der Geislinger Straßenmeisterei, neben der Bundesstraße 10, auf der tägliche tausende Autos und Lastwagen vorbeirauschen.

In den 90er Jahren wäre die Kapelle beinahe abgerissen worden. Sie war die Jahrzehnte zuvor so vernachlässigt worden, dass sie als baufällig galt. Dabei ist sie in der Region Stuttgart – neben der Siechenkapelle in Waiblingen – das letzte Zeugnis der vielen Siechenhäuser, die es im Mittelalter in der Nähe jeder größeren Stadt gab.

Leprakranke bettelten auf der Straße

Der Standortnachteil von heute sicherte den Aussätzigen von einst das Überleben: Die Kapelle gehörte zu einem Siechenhaus, in das die Leprakranken zum Schutz der gesunden Bevölkerung vor Ansteckung in eine lebenslängliche Quarantäne gezwungen wurden. Das Siechenhaus musste außerhalb der Stadtmauern liegen. Weil die Kranken keine Einkünfte hatten, waren sie auf die Nähe zu belebten Straßen angewiesen. Dort erbettelten sie sich einen Teil ihres Lebensunterhaltes.

Dass die Kapelle nicht wie die meisten anderen ihrer Art abgerissen wurde, nachdem sich die Lepra dank besserer Hygiene aus Deutschland zurückgezogen hatte, ist dem damaligen Wirt des Gasthofs Adler zu verdanken. Er ersteigerte das Siechenhaus 1806 samt dem Kirchlein und dem zugehörigen Hof. Das Hauptgebäude ließ er abbrechen, nur die Kapelle durfte stehen bleiben – sie diente ihm fortan als Lager.

Die erste Sanierung ging zum Teil schief

In den 40er Jahren ging das Gebäude schließlich in die Hand des Bunds über. Auch die Straßenbauverwaltung nutzte die Kapelle als Lager. Doch als sie Ende der 80er Jahre beseitigt werden sollte, gingen die Geislinger, allen voran der Kunst- und Geschichtsverein, auf die Barrikaden. Am Ende übernahm die Stadt das Gebäude für den symbolischen Preis von einer D-Mark.

„Und sobald das Gebäude im Besitz der Stadt war – so wurde mir erzählt – kam das Denkmalamt und verlangte eine Sanierung“, sagte Dehmer, der erst viele Jahre später sein Amt antrat. Doch es blieb nicht bei einer Sanierung. Denn vor vier Jahren stellte sich heraus, dass beim ersten Mal Fehler gemacht worden waren, etwa durch die Verwendung ungeeigneter Baustoffe. In den vergangenen beiden Jahren haben Experten nun die Außenhaut des Gebäudes von Schäden durch ausblühendes Salz befreit und als künftigen Schutz einen Putz aufgebracht, der sich an den Materialien orientiert, die im Mittelalter verwendet wurden. Im Inneren der Kirche wurden die Reste der Malereien konserviert, damit sie nicht von den Wänden bröckeln.