Kontraste in Geislingens historischer Altstadt: Einige Gebäude sind hervorragend restauriert, andere scheinen dem Verfall preisgegeben. Fotos: Roderich Schmauz
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Altstadtforum
Den Kunst- und Geschichtsverein Geislingen treibt die Frage um, ob sich mit finanziellem bürgerschaftlichem Engagement der weitere Verfall denkmalgeschützter Gebäude stoppen lässt.
Geislingen. „Altstadtruinen oder Sanierungsplan?“ Ein Altstadtforum unter diesem provokativen Titel veranstaltet der Geschichts- und Altertumsverein Geislingen. Der öffentliche Informations- und Diskussionsabend findet am Donnerstag, 3. April, 19.30 Uhr, in der Galerie im Alten Bau statt.
Die vielen historischen, denkmalgeschützten Bauwerke in Geislingens Oberer Stadt sind ein wertvoller Schatz. Doch der ist bedroht. Denn der Zustand zahlreicher Gebäude ist desolat, etliche Häuser sind nicht mehr bewohnt, beziehungsweise unbewohnbar. Die aktuelle Situation wird der frühere Stadtarchivar Hartmut Gruber den Besuchern anhand aussagekräftiger Fotos und bauhistorischer Erläuterungen eindringlich vor Augen führen. Und er wird zeigen, dass es auch anders geht. Denn es gibt ja durchaus auch positive Beispiele, wie Privatleute Altstadtgebäude sachgerecht und liebevoll restauriert haben.
Mit dem Altstadtforum wollen Gruber und seine Mitstreiter Dr. Hansjürgen Gölz und Roderich Schmauz einen Diskussionsprozess anstoßen. Sie haben dazu neben Kommunalpolitikern und den Vereinsmitgliedern Experten und Profis aus unterschiedlichen Branchen eingeladen, um mit ihnen die drängende Frage zu diskutieren: Wie kann man dem Verfallsprozess entgegenwirken? Gibt es Erfolg versprechende Ansatzpunkte für bürgerschaftliches Engagement, um Altstadtgebäude zu retten?
Die Stadtverwaltung bzw. die öffentliche Hand ist damit überfordert. Zumal die Stadt bereits herausragende Bauzeugen mit großem finanziellem Aufwand vorbildlich restauriert hat – wie zuletzt den Alten Zoll. Die Stadt kann aber keinesfalls alles richten. Doch können eventuell engagierte Geislinger mit Gemeinsinn etwas bewegen? Lassen sich mit einer Altstadtstiftung Vermächtnisse und Schenkungen einwerben? Welche Chancen bieten Abschreibungsmöglichkeiten und Sanierungsgebiete, in die öffentliche Zuschüsse fließen? Sind bürgerschaftliche Förder- und Beteiligungsmodelle denkbar, um Besitzer von Altstadthäusern, die finanziell sonst nicht dazu in der Lage wären, eine fachgerechte Sanierung ihres Gebäudes mit zu finanzieren? Kann man privates Kapital für einen Altstadt-Immobilienfonds aktivieren?
In Geislingen gibt es ja bereits Stiftungen, Genossenschaften, eine große kommunale Wohnbaugesellschaft, zwei auch dem Gemeinwohl verpflichtete Banken, an der Fachhochschule den Studiengang Immobilienwirtschaft; und die Stadt wird in Bälde eine Person einstellen, die Zuschusstöpfe anzapfen soll und für Fundraising zuständig sein wird.
Der Kunst- und Geschichtsverein wiederum, zu dessen Vereinszielen die Bewahrung des kulturellen Erbes zählt, verspricht sich, mit dem Altstadtforum das öffentliche Problembewusstsein zu schärfen. Und der Verein hofft, Fachleute zu finden – aus Bereichen wie Finanzierung, Immobilienverwaltung, Rechtliches, Denkmalsanierung – für ein Gremium, das im regelmäßigen Erfahrungsaustausch auslotet, wie und wo Bürger konkret helfen können.
Roderich Schmauz
Ein erster Schritt ist getan
Altstadtforum des Kunst- und Geschichtsvereins Geislingen zum Zustand der Oberen Stadt, in der viele historisch wertvolle Gebäude leer stehen und unbewohnbar sind. Was kann man tun?
Geislingen. Ein erster Schritt ist getan: Zum Altstadtforum des Kunst- und Geschichtsvereins Geislingen kamen am Donnerstagabend, 3. April, gut 60 Zuhörer in den Alten Bau. Das Thema: Der schlechte Zustand vieler denkmalgeschützter Gebäude in der Oberen Stadt, verbunden mit der Frage, was man dagegen tun kann, vor allem mit bürgerschaftlichem Engagement.
Erschreckend viele Gebäude in Geislingens historischer Altstadt stehen leer, sind unbewohnt oder unbewohnbar: Mit aussagekräftigen Fotos und sachkundigen Erläuterungen führte dies der frühere Stadtarchivar Hartmut Gruber bei einem virtuellen Stadtspaziergang eindringlich vor Augen. Kein Stadtbrand, keine Kriegszerstörungen, dadurch habe sich seit dem Spätmittelalter ein reiches architektonisches Erbe bewahrt, erläuterte Gruber. Erst im 20. Jahrhundert sind gravierende Verluste zu beklagen – Stichworte Sonnecenter, Wilhelmsplatz, und andere. Die Altstadt sei ein Schatz, doch der sei bedroht, zeigte Gruber. So sind massiert um den Radplatz sehr alte, aber marode Gebäude akut gefährdet. Das gelte vollends für drei Gebäude, durch deren Dächer es schon hineinregnet. Welch ein großes Potential diese historisch wertvollen Häuser in sich bergen, machte Gruber deutlich mit Vorher-Nachher-Fotos von vorbildlich restaurierten Häusern.
Vereinsmitglied Roderich Schmauz betonte, dass die Altstadt allen gehöre und also alle für ihre Bewahrung mitverantwortlich seien: „Zugespitzt heißt das: Was können wir tun? Was ist uns die Altstadt wert? Wieviel Geld sind du und ich bereit, willens und in der Lage, dafür zu investieren?“ Schmauz nannte als mögliche Ansatzpunkte, Spendengelder zu sammeln, eine Altstadtstiftung zu gründen, Beteiligungsmodelle zu prüfen, bis hin zur Auflage eines Altstadtfonds. Mit einem überschaubaren Sanierungsvorhaben als Pilotprojekt sollte man beginnen, schlug Schmauz vor. Man müsse dabei das Rad ja nicht neu erfinden, sondern könne von den Erfahrungen von Fachleuten vor Ort und aus anderen Städten viel lernen, was in der anschließenden Diskussion mehrfach bestätigt wurde.
Als Sofortmaßnahmen will der Kunst- und Geschichtsverein ein kleines Gremium mit Experten aus verschiedenen Branchen – vom Juristen über den Denkmalschützer, den Bauhandwerker, Immobilienfachmann und Banker bis zum Wohnungsverwalter – ins Leben rufen. Sie sollen konkrete Sanierungsprojekte und Investitionsstrategien entwickeln. Bisher gehören dem Gremium Professor Dr. Werner Ziegler, der erfahrene Restaurator und Zimmerer Martin Stahl und Hartmut Gruber an.
Außerdem soll eine „Task Force“, so ein weiteres Anliegen des Vereins, unter Federführung der Stadt, wenn nötig akut gefährdete Altstadtgebäude aufkaufen und sichern, damit sie nicht komplett verfallen. Das Ziel wäre dann, Investoren für eine Restaurierung zu finden. Der Verein, so eine weitere Überlegung, könnte Spenden für die Notsicherung solcher Gebäude sammeln.
Und schließlich will der Verein das öffentliche Bewusstsein für die Altstadtschätze schärfen; geplant ist eine Serie in der GZ. Zumal herausragende Fachwerkbauten wie der Alte Bau und der Zoll in Fachkreisen deutschlandweit bekannt sind.
Wichtige Hinweise zu diesem Themenfeld gab die CDU-Wahlkreisabgeordnete Nicole Razavi, die als Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen auch die oberste Denkmalschützerin von Baden-Württemberg ist. Sie wies auf die fachliche Beratung aus ihrem Haus, auch für ehrenamtlich im Denkmalschutz Tätige. Der zuständige Gebietsreferent vom Landesamt für Denkmalpflege, Dr. Peter Huber, war ebenfalls anwesend. Razavi versicherte, dass der Denkmalschutz nicht als Bauverzögerer, sondern als Förderer fungiere. Sie wies auf Förderprogramme hin und riet der Stadt, den Ensembleschutz der historischen Altstadt über eine Altstadtsatzung abzusichern, wodurch sich weitere Fördermöglichkeiten eröffneten. Zudem machte sie auf ein Verkaufsportal im Internet aufmerksam, in dem Denkmäler neue Besitzer und Liebhaber suchen. Nach einer sehr sachbezogenen Diskussion endete die Veranstaltung, die von Dr. Hansjürgen Gölz mit vorbereitet worden war, nach gut zwei Stunden.
(Presseerklärung GZ 5.4.25)