Hingucker aus Häkelmaschen

 Katharina Krenkel wartet im Museum im Alten Bau in Geislingen mit verblüffenden „Soft Sculptures“ auf

Erneut ein Aha-Erlebnis. Häkeln und Sticken, das hört sich nicht gerade sexy an, eher nach biederem Hausfrauen-Hobby, nach Topflappen und Deckchen. Weit gefehlt. Katharina Krenkel belehrt uns mit ihren Häkel- und Stickobjekten, die sie seit Sonntag in der Galerie im Alten Bau in Geislingen präsentiert, eines Besseren. Nicht nur, dass sie damit unsere Vorurteile pulverisiert, nein, sie spürt mit ihren „Soft Sculptures“, also mit ihren Skulpturen und dreidimensionalen Objekten aus weichen Materialien wie Schnüren und Fäden, der Natur und deren geologischen Schichtungen nach, beschert uns neue Sichtweisen auf die Welt. Nicht von ungefähr lautet der Ausstellungstitel „Erosion – Fäden und Linien“.

 

Hingucker in der Galerie sind 15 überdimensionale blaue Wassertropfen, die von der Decke hängen. Diese Installationen in verschiedenen Größen, gehäkelt aus dicker, fester Ballenschnur, wie sie in der Landwirtschaft Verwendung findet, haben am Boden ihr originelles Pendant in drei „Wasserpfützen“, Häkelarbeiten aus demselben Kunststoff.

 

Mitten im Raum platziert – der zweite Hingucker – lappt auf einem runden Tisch tatsächlich eine Häkeldecke über die Ränder; auf dem Tisch erhebt sich aber ein erhabenes buntes Landschaftsrelief mit Erhöhungen, Taleinschnitten und Flüssen, von unten unsichtbar ausgestopft mit Zeitungspapier. Dieses aus Baumwollgarn gehäkelte Objekt erinnert an Gipsrelief-Karten aus der Asservatenkammer für vormalige Geografie-Unterrichtsstunden.  Ironisch augenzwinkernd nennt Krenkel diese Arbeit treffend „Die Erde ist eine Tischdecke“.

Auf den ersten Blick weniger augenfällig ist eine gigantische Fleißarbeit, eine terrassenartig sich verjüngende, geologisch anmutende Schichtenfolge aus 157 Linoleumplatten.

 

Neben diesen originellen Objekten, die die Blicke auf sich ziehen, überrascht Krenkel auch durch die vielfältigen Techniken der Arbeiten, mit denen sie in Geislingen aufwartet: Tuschezeichnungen, die Steine „porträtieren“; eine lange Reihe aneinandergereihter reduzierter Bleistiftzeichnungen, eine Dünenlandschaft; Stickzeichnungen mit Kupferdraht; und naturgetreue Stickzeichnungen von Donaufelsen mit Zwirn auf Papier; in Holzdruckstöcke geschnitzte Höhlenformationen; und dann – titelgebend – „Erosion“ benannte Kreidezeichnungen auf Tafeln.

 

„Gehäkelte Kunst ist zum Markenzeichen Katharina Krenkels geworden“, betonte Museumsleiter Dr. Philipp Lintner gleich bei der Begrüßung. 1966 in Buenos Aires geboren, hat Krenkel nach ihrem 1993 abgeschlossenen Studium an der Hochschule der Bildenden Künste Saar als freischaffende Künstlerin weiterhin ihren Lebensmittelpunkt im Saarland. In ihrer Vita kann sie auf viele Preise, Stipendien, Ausstellungen in und Aufkäufe von Museen verweisen.

Stefan Renner, stellvertretenden Ausstellungsleiter des Kunst- und Geschchtsvereins, nahm in seiner Einführung den Ausstellungstitel beim Wort und zog Parallelen zum transformierenden Erosionsprozess, der in extrem langen Zeiträumen Landschaften formt. Krenkels Auseinandersetzung mit der Natur seien „Erkundungs- und Forschungsarbeiten“. Als Ausgangspunkt ihrer Kunst identifiziert Renner Faden und Linie: „Der Faden ist das räumliche Äquivalent zur Linie in der Fläche“. Durch Verwebungen und Bündelungen transformiere Krenkel Linien in räumliche Gebilde: „Kongruente Umsetzungen, Überführungen und Transformationen mit dem Mittel der Linie prägen ihre Arbeiten.“ Die Vielfalt der Techniken der Künstlerin sind für Renner „faszinierend“, zumal ihre plastischen Installationen „begeh- und deshalb besonders erlebbar“ seien.-

Von Roderich Schmauz

 

Info

Die Ausstellung „Erosion – Fäden und Linien“ von Katharina Krenkel ist bis 11. Mai in der Galerie im Alten Bau in Geislingen zu sehen, jeweils von Dienstag bis Sonntag, 14 bis 17 Uhr.

 

 

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