Ausstellung. Im Heimatmuseum im Alten Bau werden spätmittelalterliche Funde

Holz-Facharbeiter im Spätmittelalter: Zimmermann, Böttcher, Wagner; und eine Kraxe als Transportmittel.

Unscheinbare kleine Schätze

 

Ausstellung. Im Heimatmuseum im Alten Bau werden spätmittelalterliche Funde aus Holz, Leder, Bein und Geweih aus Geislingen, Bad Ditzenbach und Göppingen gezeigt – von Roderich Schmauz

Fachleute für die Lederbearbeitung: Gerber, Riemer, Schuhmacher und Taschenmacher.

 

Geislingen. Glänzendes royales Geschmeide, reich mit Edelsteinen besetzte güldene Reliquiare, fein ziselierte Damaszenerklingen? Nein. Fehlanzeige. Extrem unspektakulär kommen die spätmittelalterlichen Exponate daher, die seit Samstag im Geislinger Heimatmuseum des Alten Baus zu sehen sind. Unscheinbare Überbleibsel, aber doch seltene, kleine Schätze. Relikte, die wertvoll sind für Aussagen über die damalige Lebenswelt und spannende Einblicke gewähren in den Alltag der Bevölkerung bei uns im 15. Jahrhundert. Wie waren ihre Schuhe beschaffen? Was haben sie gegessen?

„Überraschend. Organisch. Archäologische Funde aus Holz, Leder, Bein und Geweih im Landkreis Göppingen“, so lautet der viel sagende Titel der Sonderausstellung, die im vergangenen Jahr bereits im Landratsamt Göppingen gezeigt wurde und nun über die Sommersaison im zweiten Stock des Alten Baus zu sehen ist. Gezeigt werden Grabungsfunde der Kreisarchäologie aus Brunnen und Latrinen vom Kornhausplatz und der Marktstraße 17-19 in Göppingen, aber auch von der früheren „Post“ in der Geislinger Fußgängerzone und der Hiltenburg bei Bad Ditzenbach. Und es handelt sich – anders als bei Gegenständen aus Metall, Keramik oder Stein – um vergängliche Stoffe, die sich nur unter besonderen Bedingungen, zum Beispiel in einem feuchten, von der Luft abgeschlossenen Milieu, über die Jahrhunderte hinweg erhalten.

Was ist nun konkret zu sehen in den fünf Vitrinen im Vorraum vor den „Hinguckern“, den  großen „Vogelwelt“-Terrarien mit den präparierten Vögeln der Sammlung Rockenbauch? Auch wenn der Versicherungswert der Exponate nicht allzu hoch sein dürfte, so wartet diese Archäologie-Ausstellung zumindest mit einem Superlativ auf: dem hölzernen Kranzsegment des ältesten Speichenrades, das im Kreis Göppingen gefunden wurde, es stammt aus dem 15. Jahrhundert. Nicht zuletzt bringen moderne naturwissenschaftliche Analyseverfahren unscheinbare Relikte zum Sprechen: So wurden die in einer Vitrine gezeigten verkohlten Reste identifiziert als Samen von Roggen, Dinkel und Linsen, als Haselnuss- und Walnussschalen. Anhand der Relikte von Lederschuhen – zu sehen in einer weiteren Vitrine – rekonstruieren Fachleute eine kleine Geschichte der Schuhmode von anno dazumal.

Spezialisten für die Beinbearbeitung: ein Paternostermacher (Perlen für Rosenkränze) an der Drehbank, ein Messermacher bearbeitet einen Griff, ein Beindrechsler an der Drehbank.

 

Von Tieren haben die Menschen alles verwertet, das zeigen schon allein die zahlreichen traditionsreichen Berufe und Zünfte, die von Jägern und Metzgern über Gerber, Riemer, Schuh- und Taschenmacher bis zu Beindrechslern und Messergriffmachern reichen. Sogar sakrale Kunst wurde aus Knochen gefertigt – vom Paternostermacher; er drechselte aus Bein  Perlen für Rosenkränze. Nicht zu vergessen all die Spezialisten rund ums Holz – Zimmermann, Böttcher, Wagner und etliche weitere. „Holz war damals der Rohstoff Nummer eins“, erläuterte Kreisarchäologe Michael Weidenbacher, der in die Ausstellung einführte. Er hat sie mit seinem Vorgänger Reinhard Rademacher konzipiert, samt den aussägekräftigen Erläuterungstafeln mit verständlichen, präganten Texten.

Roderich Schmauz

Bei der Eröffnung der archäologischen Sonderschau im Heimatmuseum des Alten Baus in Geislingen werfen sie einen Blick auf die Vitrine mit Resten verschiedener mittelalterlicher Leserschuhe: Landratsvize Jochen Heinz, der bisherige Kreisarchäologe Dr. Reinhard  Rademacher und sein Nachfolger Michael Weidenbacher

 

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