Der Kunst- und Geschichtsverein Geislingen thematisierte auf seiner diesjährigen Sommerausfahrt Aspekte der bayerischen Geschichte.
Zu den frühesten Klostergründungen im deutschsprachigen Raum gehört Weltenburg an der Donau, nachgewiesen seit dem 7. Jahrhundert. Die Mönche übernahmen im 8. Jahrhundert die Ordensregeln des Heiligen Benedikt. Die in den Jahren 1716 bis 1739 erbaute und von den Gebrüdern Asam ausgestaltete Klosterkirche St. Georg zählt zu den Spitzenleistungen des europäischen Barock.
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Wir konnten die wechselhaften Geschichte eines Klosters nachvollziehen: mit Ungarneinfällen im 10. Jahrhundert, Wiederbesiedlung vom Regensburger Kloster St. Emeram aus, Auflösung in Zuge der Säkularisation und Neuerrichtung auf Initiative von König Ludwig I., welcher unsere Gruppe während der gesamten Ausfahrt thematisch begleitete.
Das Durchfahren der Weltenburger Enge mit ihren 80 Meter hohen Kalksteinfelswänden mit bizarrer Optik und Legenden umrahmten Felsen wurde zu einem tiefen Naturerlebnis.
Im Andenken an die gewonnenen Schlachten gegen Napoleon wurde die Befreiungshalle im Auftrag von König Ludwig I oberhalb Kelheim errichtet, 1842 von Friedrich von Gärtner in Anlehnung an antike und christliche Zentralbauideen konzipiert.
Die 18 Kolossalstatuen auf den Strebepfeilern, welche die Außenfassade gliedern, stellen die 18 deutschen Volksstämme, die an den Napoleonschlachten beteiligt waren, als Allegorien dar.
In der beeindruckenden, durch eine Kuppel erhellten Rundhalle, in deren Nischen sich 34 Siegesgöttinnen als Geste der Eintracht die Hände zu einem feierlichen Reigen reichen, entsteht ein monumentaler Eindruck, welcher uns ein Gefühl für das damalige politische Empfinden an der Schwelle der Entstehung eines gesamtdeutschen Nationalstaates vermittelt.
Ebenfalls im Auftrag König Ludwigs I. als klassizistischer Bau in Gestalt eines von Säulen getragenen Tempels errichtet, inspiriert durch das Parthenon auf der Athener Akropolis , erhebt sich in beherrschender Lage über der Donau Walhalla, genannt nach dem Kriegerparadies der germanischen Mythologie. Hier werden in beeindruckender Atmosphäre verdiente deutschsprachige Männer und Frauen gewürdigt. Die ursprünglich 96 Büsten werden seit 1962 im Abstand von fünf bis sieben Jahren durch Persönlichkeiten ergänzt, die der bayerische Ministerrat auf Empfehlung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften auswählt. So sehen wir heute in der Ruhmeshalle 130 Marmorbüsten bedeutender Persönlichkeiten des deutschen Sprachraumes, 12 davon sind Frauen, und 65 Gedenktafeln, welche deutsche und europäische Geschichte widerspiegeln.
Dass die ehemalige freie Reichstadt Regensburg mit ihren engen Gassen, Patrizierhäusern, mit der größten Anzahl von Geschlechtertürmen nördlich der Alpen, mit über 1000 geschützten Baudenkmalen, mit ihrem konsequent gepflegten historischen Stadtkern aus allen Kunstepochen des Mittelalters 2006 zum UNESCO Weltkulturerbe erhoben wurde, konnten wir sehr beeindruckt nachvollziehen. Historische Bedeutung erlangte die Stadt, weil im Reichssaal des Regensburger Rathauses zwischen 1663 und 1803 der Immerwährende Reichstag, eine Art Ständeparlament des „Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation“, abgehalten wurde.
Oberhalb der Altstadt von Landshut, deren geschlossenes Stadtbild mit Gebäuden aus der Gotik und Renaissance uns die Blütezeit der ehemaligen Residenzstadt der Wittelsbacher nacherleben lässt, erhebt sich die Burg Trausnitz.
Unsere Führung durch die Alte Dürnitz, Burgkapelle, Narrentreppe mit ihrer Illusionsmalerei der italienischen Schauspielkunst der Renaissance und der abschließende Blick vom Söller über die Altstadt lassen uns das Burgleben nachvollziehen und dass die Burg schon im Mittelalter ein Zentrum von Dichtung, darstellender Kunst und Wissenschaft war.
Das Selbstbewusstsein des Landshuter Bürgerturms demonstriert die Tatsache, dass sie mit dem Turm der Stiftsbasilika St. Martin die Herrscherburg der Wittelsbacher überragen wollten, was mit der Errichtung des höchsten Backsteinkirchturms der Welt auch gelang.
Im Vergleich zum Regensburger Dom mit seiner reichen Ausstattung , der neben dem Kölner Dom die bedeutendste gotische Kathedrale Deutschlands ist, wirkt die Landshuter Stiftsbasilika mit ihrer außergewöhnlichen vertikalisierten Architektur sehr schlicht. Besondere Aufmerksamkeit erlangt das 1946 von Max Lacher unter dem Eindruck der Verbrechen der Nationalsozialisten geschaffene Fensterbild, auf dem die Folterknechte des heiligen Kastulus die Gesichter von Hitler, Göring und Goebbels tragen.
Den Höhepunkt unserer dreitägigen Ausfahrt erlebten wir im Prunksaal, im Tanzsaal des Landshuter Rathauses mit der fesselnden Erzählung facettenreicher Tatsachen über die Heirat des bayerischen Herzogs Georg der Reiche mit Hedwig Jagiellonica, einer polnischen Königstochter.
Unser Streifzug durch 1200 Jahre Geschichte veranschaulichte uns gesellschaftliche, wirtschaftliche, städtebauliche und kulturelle Aufwärtsentwicklungen, wenn Regenten Vorstellungen, Ziele und Beharrungsvermögen hatten, aber auch Stillstand und Rückentwicklungen, wenn eine politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche Orientierung fehlte.