Der Kunst- und Geschichtsverein lädt ein zu einem Vortragsabend:
Mein Briefmarkenalbum, mein Geschichtsbuch
Dr. Hansjürgen Gölz
Montag, 1. April 2019 um 19.30 Uhr, Galerie im Alten Bau
Wenn ich mein Briefmarkenalbum durchblättere, dann finde ich eine Fülle von Fragen zu unserer Geschichte. Briefmarken sind Zeitzeugen und Zeugnis unserer Geschichte. So lernen sich geschichtliche Zusammenhänge wie in einem spannenden Geschichtsbuch. In diesem Geschichtsbuch wollen wir an diesem Abend einige Seiten aufschlagen. Ja, Briefmarkensammeln ist ein unterhaltsames und lehrreiches Hobby.
Im Januar 1919 traten die Siegermächte des 1. Weltkriegs zusammen und beschlossen den Versailler Vertrag. Deutschland wurde von den Verhandlungen ausgeschlossen, es gab nichts zu verhandeln! Gustav Stresemann kommentierte im Dezember 1918 den vorgelegten Vertrag: „Wir stehen vor dem furchtbarsten Gewaltfrieden, dem jemals ein Volk unterworfen ist“ und der britische Parlamentarier Snowdon sagte zum Vertrag: „Es ist kein Friedensvertrag, sondern eine Erklärung für einen weiteren Krieg.“. Ähnlich äußerte sich Premier Lloyd George:“Wir haben ein schriftliches Dokument, das uns den Krieg in 20 Jahren garantiert.“
Die Geschichte des 20. Jahrhunderts hinterlässt auch in den Briefmarken seine vielfältigen Spuren. Wer kennt noch die Briefmarken von Danzig, Allenstein, Memel oder Marienwerder. Die Briefe von dort wurden mit französischen Briefmarken frankiert, warum? In der Hochinflation im November 1923 kostete das Porto eines einfachen Briefes 50 Milliarden, einen Monat später waren es wieder 10 Pfennig.
1918/19 gab es ein Jahr lang die Republik „Deutschösterreich“; die alten österreichischen Briefmarken erhielten einen entsprechenden Aufdruck. Nach der Gründung der Tschechoslowakei 1919 wurden zunächst weiter österreichische Briefmarken benutzt wieder mit Aufdruck, ähnliches geschah im neuen Staat Polen. Die Rückkehr des Saarlandes in das Deutsche Reich 1935 wurde natürlich mit einer Briefmarke gefeiert.
Nach der Besetzung des Sudetenlandes im Oktober 1938 erhielten die tschechischen Marken sofort den Aufdruck: „Sudetenland“ oder „Karlsbad ist frei“. Auch im Ghetto in Lodz wurden eigene Briefmarken herausgegeben: „Judenpost“. Im Estenlager in Geislingen gab es in der Nachkriegszeit eigene Briefmarken für den Postdienst innerhalb des Lagers.
Wie kam nach dem 2. Weltkrieg der Postverkehr wieder in Gang? Briefe hatten in den Jahren 1945/46 überragende Bedeutung, Familien und Freunde mussten sich wieder finden. Viele Städte gaben in jener Zeit eigene Briefmarken heraus (Lokalpost). Nach der Wiedervereinigung 1990 verschwanden die Marken der DDR (1949 –1990) und von Berlin (1948-1990) still und leise. DDR und Berlin sind heute abgeschlossene Sammelgebiete.
Dr. Hansjürgen Gölz