Ganz im Zeichen barocker höfischer Prachtentfaltung stand die Exkursion des Kunst- und Geschichtsvereins Geislingen in Kooperation mit der Geislinger Volkshochschule vom 4. bis 6. Juli nach Kassel. Reiseleiter Walter Klenk hatte wieder ein dicht gedrängtes, abwechslungsreiches Programm zusammengestellt.
Der erste Höhepunkt erwartete die Gruppe gleich bei der Ankunft am frühen Nachmittag in Kassel: das Weltkulturerbe Bergpark Wilhelmshöhe mit seinen spektakulären Wasserspielen, die von Mai bis Oktober jeden Mittwoch und Sonntag in Gang gesetzt werden. Rund 1.200 Kubikmeter Wasser ergießen sich vom höchsten Punkt unterhalb des 80 Meter hohen Herkules-Denkmals über Kaskaden, Wasserfälle, Kanäle und Aquädukte bis hinunter zum Schloss Wilhelmshöhe und legen dabei einen Höhenunterschied von 225 Metern zurück.
Dabei hat sich seit dem Bau der Anlage im 18. Jahrhundert an der Technik nichts geändert: nach wie vor setzt alleine die Schwerkraft die Wassermassen in Bewegung und lässt Fontänen in die Höhe schießen. Das Wasser erzeugt sogar einen Luftdruck, mit dem die Signalhörner eines Fauns und eines Zentauren zum Tönen gebracht werden. Die Choreografie ist so konzipiert, dass die Wasserspiele an jeder Station rund zehn Minuten dauern, so dass die Besucher bequem daneben hinunter flanieren können. An den ersten barock gestalteten Teil schließt sich organisch der zweite durch englische Landschaftsarchitektur geprägte Abschnitt an. Den Abschluss findet das Spektakel nach rund eineinhalb Stunden mit einer 50 Meter hohen Wasserfontäne im Teich vor dem Schloss Wilhelmshöhe.
Gleich im Anschluss umfing die Gruppe die Stille in der Galerie Alter Meister im Schloss Wilhelmshöhe, einer der bedeutendsten Sammlungen ihrer Art mit einer über 500-jährigen Geschichte. Im Rahmen einer sachkundigen Führung wurden die Exkursionsteilnehmer anhand weniger exemplarisch ausgesuchter Gemälde mit den unterschiedlichen Stilmerkmalen unter anderem der flämischen und niederländischen Malerei sowie der italienischen Renaissance bekannt gemacht.
Drittgrößte Museumsstadt
Der nächste Tag startete mit einer Stadtführung in Kassel. Den Verlust historischer Bausubstanz im Zweiten Weltkrieg macht die Stadt in vielfältiger Weise wett: Sie ist die drittgrößte Museumsstadt Deutschlands sowie Sitz der documenta, der international bedeutendsten Schau zeitgenössischer Kunst und sehr reich an weitläufigen Parks. Der Friedrichplatz gilt als der größte Stadtplatz in Deutschland. Unübersehbar sind auch die zahlreichen Beispiele von Kunst im öffentlochen Raum wie beispielsweise die Aktion „7000 Eichen – Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“ von Joseph Beuys.
Der Bus führte die Gruppe anschließend zum nur wenige Kilometer entfernten Schloss Wilhelmsthal in Calden, einem der schönsten Rokokoschlösser in Deutschland, das von einem wunderschönen ausgedehnten Park umgeben ist Da große Teile der Ausstattung des Schlosses, im Original erhalten geblieben sind, bekommt der Besucher einen lebendigen Eindruck vom landgräflichen Leben des 18. Jahrhunderts.
Nächste Station nach einer Mittagspause war das prunkvolle barocke Residenzschloss der Grafen zu Waldeck und Pyrmont in Bad Arolsen. Die Anlage lässt deutlich das Vorbild Versailles erkennen, denn Graf Friedrich Anton Ulrich zu Waldeck wollte seiner Erhebung in den Reichsfürstenstand 1711 sichtbaren Ausdruck verleihen. Damit strapazierte er allerdings in großem Maße seine Staatsfinanzen, so dass beim Einzug des Fürstenpaares 1720 nur der Ostflügel bewohnbar war. Noch heute wird ein Teil des Schlosses von Nachfahren der Fürstenfamilie bewohnt.
Ahle Wurscht und Duggefett
Der Tag wurde ganz bodenständig in der Waldgaststätte des Hessisch-Waldeckischen Gebirgsvereins auf der Höhe des Habichtswalds beschlossen. Die Kontakte von Ulrich Sihler zu dem Verein ermöglichten diesen Besuch. Zu Ehren der Gäste aus Geislingen hatte das Pächterehepaar ein zünftiges nordhessisches Buffet mit „Ahle Wurscht“, „Duggefett“, Kassler, Schmandsalat und vielen anderen deftigen Zutaten hergerichtet. Um die Verdauung anzuregen, bot sich ein Aufstieg auf den 24 Meter hohen Aussichtsturm mit einem weiten Blick auf das Umland an.
Der letzte Tag war dem mittelalterlichen Städtchen Fritzlar gewidmet, das im Rahmen einer Stadtführung erkundet wurde. Bonifatius hatte hier die den Germanen heilige Donareiche gefällt und aus dem Holz eine Kirche errichtet, Vorgängerin des heutigen romanisch-gotischen Doms. Ausgangspunkt des Stadtspaziergangs war der „Graue Turm“, das imposanteste Bauwerk der noch weitgehend erhaltenen Stadtbefestigung. Von den ursprünglich 23 Wehrtürmen existieren heute noch zehn. Der Stadtkern ist geprägt von zahlreichen schönen Fachwerkhäusern, vor allem der zentrale Marktplatz bietet ein geschlossenes mittelalterliches Bild. Dank des freundlichen Entgegenkommens der offiziellen Kastellanin, den Grauen Turm nach der Mittagspause exklusiv für die Gruppe eine halbe Stunde früher zu öffnen, konnte man Turm besteigen und im Innern auf verschiedenen Etagen sich über Episoden der Stadtgeschichte und mittelalterlichen Bestrafungspraktiken zu informieren. Dann war es auch schon Zeit für die Heimfahrt, die die Gruppe erfüllt von den vielen interessanten Eindrücken antrat.